Thematik

Als wir 1984 dieses Bauernhaus am Simssee im Chiemgau erstanden, wurde uns vom Verkäufer und auch den Einheimischen erklärt, dies sei ein „Itakerhof“. Es ist die gängige Bezeichnung für die stattlichen Bauernhäuser, die im 19. Jht. von italienischen Bautrupps aus Friaul vor allem im Chiemgau errichtet wurden. Die Italiener brachten den Baumeister mit, prägten den Baustil und brannten sogar die Ziegel selbst. So hörten wir das immer wieder.


Beim Pelz in Untershofen


Unser Anliegen war nun, in dieses Bauernhaus insgesamt drei Wohnungen einzubauen,  ohne Stilbruch zu begehen. Ein Bauplan, den wir dazu benötigt hätten, war jedoch nicht vorhanden – wie bei vielen anderen Itakerhöfen. Also ließen wir einen Plan anfertigen und führten den Umbau durch.

Der Haustyp war früher, ein Einfirsthof mit Wohnhaus und Stall. Die Scheune stand separat davor. Erst 1948 wurde die Scheune zu der heutigen L-Form des Hauses umgebaut. Der Wohnbereich ist mit Ziegel gemauert, während die untergeordneten Stallungen aus gesammelten Natursteinen (Bummerln) errichtet sind. Der Firstbaum und die Säule im Rossstall belegen das Baudatum 1856 und 1858.
Ross- und Kuhstall haben noch die Korbbogengewölbe.

Der erste Besitzer des Anwesens war ein „Bölz“. Er wurde erstmals im Jahre 1629 erwähnt, daher auch der Hausname, allerdings wandelte sich die Schreibweise im Laufe der Zeit in „Pelz“.

Irgendwann stießen wir auf einen Artikel der Zeitschrift „Charivari“ über „Die Itakerhöfe im Chiemgau“ des Rosenheimer Journalisten und Heimatforscher Hans Heyn. Er hat Ende der 1970er Jahre die Entstehung dieser Höfe erforscht und das Ergebnis in verschiedenen Zeitungen (OVB, FAZ) publiziert. Seine Berichte basieren auf vielen Gesprächen mit Hofbesitzern, den „weichenden Erben“ sowie Leserzuschriften.
Laut seinen Nachforschungen haben italienische Wanderarbeiter aus Friaul nicht nur diese Gebäude errichtet, sondern vor allem selbständig „stilbildend“ - als Baumeister - gewirkt.

Jahre später fiel uns in der Zeitschrift „Schöne Heimat“ ein Artikel von Hildegard Merzenich auf: „Itakerhöfe“ – ein Missverständnis.
Frau Merzenich untersuchte 5200 Baupläne aus der Zeit von 1872 – 1913, die im Staatsarchiv München, Bestand  Wasserburg und in der Plansammlung Riepertinger (Eiselfing – Wasserburg) lagern.
Frau Merzenich kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis: Nicht Italiener bauten diese Höfe, sondern einheimische Zimmer- und Baumeister planten sie und führten auch meist selbst die Arbeiten aus, was die Mitarbeit von italienischen Wanderarbeiter nicht ausschließt.

Als weiteres Dokument zu diesem Thema entdeckten wir das Büchlein „Per Handschlag – Die Kunst der Ziegler“ von Martin Ortmeier. Er beschreibt die Ziegelherstellung sowie die Arbeiten und das Leben der italienischen Wanderarbeiter aus Friaul, die vom Frühling bis Herbst in Bayern arbeiteten.
Auch er äußert sich zu den Itakerhöfen - er stimmt den Untersuchungen von Frau Merzenich zu.
Im Staatsarchiv in München haben wir die Bauplansammlung des Bestandes Rosenheim durchgesehen. Wir versuchten speziell die Orte und deren Höfe, die Hans Heyn in seinen Artikeln als Itakerhöfe vorstellte zu finden. Das Ergebnis war: Es existieren Pläne aus der Zeit von 1895 – 1959,  vor 1895 existieren keine Pläne, auch nicht im Landratsamt Rosenheim. Von 1895 bis in die 1920er Jahre sind es meist Kamin- und Jauchegrubenbaupläne, auch lagern vereinzelt Pläne von ganzen Anwesen.
Ein Plan für oben erwähnte Höfe war nicht zu finden, denn ihre Bauphase war weit früher. Somit ist nicht festzustellen, wer die Baumeister dieser von Hans Heyn beschriebenen Höfe im Chiemgau waren.

Der Heimatforscher Meinrad Schroll aus Mühldorf berichtet in der Eggstätter Chronik über auffällige Neubauten die ab Mitte des 19. Jht. bis Beginn des 1. Weltkrieges, als Ausdruck des bäuerlichen Wohlstandes entstanden. Die vielen Bauaufträge konnten nur mit italienischen Bauarbeitern bewältigt werden. Er schreibt: „Die Italiener unterstanden zunächst nur als Bauarbeiter der Leitung eines einheimischen Zimmermeisters, z. B. August Mitterer aus Hemhof. Die Italiener kamen zeitig im Frühjahr aus ihrer oberitalienischen Heimat, mei­stens Friaul, und arbeiteten bis zum Spätherbst auf den bayerischen Baustellen. Sie errichteten auch die benötig­ten Kalköfen und Ziegelbrennereien.Der künstlich geschaffene Begriff ‚Itakerhof’ ist ein unüberlegter Ausdruck zur Baugeschichte vieler Bauernhöfe.“

 

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